Heute haben von der NASA unterstützte Forscher ein neues "4D" live Modell der Ionosphäre der Erde für die Allgemeinheit veröffentlicht. Ohne sein Haus verlassen zu müssen, kann jeder, durch die Schichten ionisierten Gases fliegen, welche die Erde an der Grenze zum All umgeben. Alles, was man braucht, ist eine Verbindung zum Internet.
"Das ist eine aufregende Entwicklung", sagt der Sonnenphysiker Lika Guhathakurta vom NASA Hauptquartier in Washington, DC. "Die Ionosphäre ist wichtig für Piloten, Amateurfunker, Geologen und sogar Soldaten. Mit Hilfe dieses neuen 4D Tools können sie die Ionosphäre so untersuchen, als ob sie sich tatsächlich in ihr befinden würden."
Die Ionosphäre ist, auf gewisse Art, der letzte Grenzposten unserer Erde. Es ist der letzte Rest der Erdatmosphäre, welche die Astronauten hinter sich lassen, wenn sie in das All fliegen. Der Bereich der Ionosphäre erstreckt sich von 80 bis 800 Kilometer über der Erdoberfläche, wo die Atmosphäre sich zu einem fast-Vakuum verdünnt, und direkt der Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist. Ultraviolette Strahlung der Sonne zerbricht Moleküle und Atome und verursacht einen erdumspannenden Nebel aus Elektronen und Ionen.
Amateurfunker kennen die Ionosphäre gut. Sie können über den Horizont hinaus kommunizieren, indem sie ihre Funksignale an der Ionosphäre abprallen lassen -- oder gar nicht kommunizieren, wenn ein Sonnenausbruch die Ionosphäre mit Röntgenstrahlung bombardiert und zu Funkwellen Blackouts führt. Die Ionosphäre hat auch einen großen Einfluss auf den GPS Empfang. Bevor das Signal eines GPS Satelliten den Boden erreicht, muss es erst durch Gase in der Ionosphäre reisen, die Radiowellen ablenken, reflektieren und abschwächen. Sonnen- sowie geomagnetische Stürme, welche die Ionosphäre durcheinanderwirbeln, können GPS Fehler von bis zu 100 Metern bewirken. Stellen Sie sich einen Piloten vor, der nach seinen Instrumenten fliegt und sich im Landeanflug befindet, nur um festzustellen, dass das dort rechts ein Fußballfeld ist.
"Die Ionosphäre zu verstehen, ist auf jeden Fall wichtig. Darum unterstützte NASAs "Living with a Star" (LWS) Programm diese Arbeit", sagt Guhathakurta, LWS Wissenschaftler. Space Environment Technologies, Inc. of California erhielt die LWS Förderung und arbeitete mit der Space Environment Corp. of Utah sowie der US Air Force zusammen, um die 4D Ionosphäre zu entwickeln.
"Die beste Art, die 4D Ionosphäre schätzen zu lernen, ist es, sie auszuprobieren", sagt W. Kent Tobiska, Präsident von Space Environment Technologies und Chefwissenschaftler seiner Space Weather Division. Er gibt diese Anleitung:
"Laden Sie als erstes Google Earth herunter und installieren Sie es."
"Besuchen Sie als zweites unsere Webseite und klicken Sie auf den Link 'Total Electron Content.'"
Warten Sie darauf, dass die Datei lädt, und presto -- Sie fliegen durch die Ionosphäre.
"Die Farben stehen für den Gehalt an Elektronen", erklärt Tobiska. "Leuchtendes Rot bedeutet eine hohe Dichte; dann wird der Funkverkehr auf einige oder gar keine Frequenzen beschränkt. Blau bedeutet eine niedrige Dichte; es gibt dort keine Probleme."
Mithilfe der intuitiven Google Earth Oberfläche können die Besucher über, drum herum und durch diese Gebiete fliegen und bekommen einen echten 3D Anblick der Lage. Machen wir das 4D. "Die vierte Dimension ist die Zeit. Dies ist ein Echtzeit-System, welches alle 10 Minuten aktualisiert wird", sagt er.
Das 4D Modell kann sehr spannend sein und sogar ein wenig süchtig machen, warnt Tobiska, der es gern dazu benutzt, ein imaginäres Flugzeug über die Arktis zu fliegen. "Eine immer größere Anzahl kommerzieller Flüge fliegen über die Arktis", sagt er. "Es ist die kürzeste Distanz, z.B. zwischen Chicago und Beijing und anderen großen Städten."
Die Ionosphäre ist besonders für diese lukrativen Flüge sehr wichtig. Während sie sich über der Arktis befinden, verlieren die Flugzeuge den Kontakt zu den meisten geostationären Satelliten und müssen sich dann auf die "gute alte" Funktechnik verlassen -- etwas, das während eines Funk Blackouts nicht verfügbar wäre. Mit Hilfe des 4D Modells könnte ein Fluglotse die Ionosphäre aus Sicht des Piloten untersuchen, und diese Informationen dazu nutzen, Problemen zuvorzukommen, welche dazu führen würden, dass ein Flug gestrichen werden müsste oder sich verspäten würde.
Der Name des Systems ist CAPS, die Kurzform für "Communication Alert and Prediction System". Satelliten versorgen das System mit minutengenauen Informationen über die Sonnenaktivität; die Messungen werden dann durch physikalische Computeralgorithmen in die Elektronendichte umgerechnet. Es ist wichtig anzumerken, sagt Tobiska, dass CAPS nicht nur den aktuellen Zustand der Ionosphäre zeigt, sondern auch in der Lage ist, die nahe Zukunft vorherzusagen. "Die Vorhersage ist ein Hauptaspekt von CAPS, welcher unseren Kunden, wie z.B. dem Verteidigungsministerium und den Fluggesellschaften, zur Verfügung steht."
Quelle: Science@NASA
Autor: Frank Erhardt