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  • AutorenbildSven Piper

Ein Super Ausbruch auf der Sonne

Aktualisiert: 27. März 2019

Um 11:18, an einem wolkenlosen Donnerstagmorgen, dem 1. September 1859, befand sich der 33-jährige Richard Carrington -- einer von Englands führenden Sonnenastronomen -- in seinem gut ausgestatteten, privaten Observatorium. Wie gewöhnlich an einem sonnigen Tag, projizierte sein 11" Teleskop ein Bild der Sonne auf einen Schirm, und Carrington zeichnete den Sonnenfleck, den er sah.


An diesem Morgen fing er das Bild einer riesigen Gruppe Sonnenflecken ein. Plötzlich, direkt vor seinen Augen, erschienen zwei helle Flecken aus blendend weißem Licht über den Sonnenflecken, wurden schnell stärker und nahmen die Form einer Niere an. Als er bemerkte, dass er etwas noch nie da gewesenes beobachtete und "etwas aufgeregt durch die Überraschung", wie Carrington später schrieb, "rannte ich hastig los jemanden zu rufen, um dies mit mir bezeugen zu können. Als ich nach 60 Sekunden zurückkehrte, war ich gekränkt herauszufinden, dass sich das Bild schon stark verändert und abgeschwächt hatte." Er und sein Zeuge sahen, wie sich der weiße Fleck zu einem kleinen Punkt zusammenzog und verschwand.


Es war 11:23. Nur fünf Minuten waren vergangen.


Kurz vor der Dämmerung am nächsten Tag, explodierte der Himmel überall auf dem Planeten Erde in roten, grünen und violetten Auroras, die so hell waren, dass selbst zu dieser Uhrzeit Zeitungen problemlos gelesen werden konnten. Tatsächlich sah man sogar Auroras nahe tropischen Breitengraden, über Kuba, den Bahamas, Jamaica, El Salvador und Hawaii, zu sehen.


Noch beunruhigender war es, dass die Telegrafensysteme weltweit verrückt spielten. Funkenentladungen schockierten Fernmelder und entzündeten das Papier. Selbst als die Fernmelder die Batterien entfernten, welche die Systeme mit Energie versorgten, konnten durch Aurora-induzierte Ladungen noch Nachrichten übertragen werden.


"Was Carrington sah, war ein weißer Sonnenausbruch -- eine magnetische Explosion auf der Sonne", erklärt David Hathaway, Sonnenphysiker an NASAs Marshall Space Flight Center in Huntsville, Alabama.


Heute wissen wir, dass Sonnenausbrüche (Flares) regelmäßig auftreten, speziell während des solaren Maximums. Die meisten verraten ihre Existenz durch die Abgabe von Röntgenstrahlen (die durch Röntgenteleskope im All aufgezeichnet werden) und Radiogeräusche (aufgezeichnet durch Radioteleskope im All und auf der Erde). Zu Carringtons Zeiten jedoch gab es keine Röntgensatelliten oder Radioteleskope. Niemand wusste, dass Flares existieren, bis zu diesem September morgen, als ein Super-Flare genug Licht produzierte, dass er sogar der Sonne Konkurrenz machte.


"Es ist selten, dass man tatsächlich eine Steigerung der Helligkeit auf der Sonnenoberfläche beobachten kann", sagt Hathaway. "Es braucht eine Menge Energie die Oberfläche der Sonne aufzuheizen!"


Die Explosion produzierte nicht nur jede Menge sichtbaren Lichts, sondern auch riesige Wolken geladener Teilchen und abgelöster Magnetschleifen -- CMEs -- und schleuderte diese Wolke direkt in Richtung Erde. Am nächsten Morgen, als der CME eintraf, krachte er in das Magnetfeld der Erde, und brachte die globale Magnetblase, welche unseren Planeten umgibt, zum Beben. Forscher nennen dies einen "geomagnetischen Sturm." Schnelle Felder induzierten elektrische Ladungen, die durch Telegrafenleitungen flossen und die Kommunikation unterbrachen.


"Vor mehr als 35 Jahren begann ich die Aufmerksamkeit der Astrophysiker auf den Flare von 1859 und seinen Einfluss auf die Telekommunikation zu lenken", sagt Louis J. Lanzerotti, ehemals technischer Angestellter an den Bell Laboratories und derzeit Herausgeber des Journals Space Weather. Er erkannte die Effekte von geomagnetischen Stürmen auf die Kommunikation auf der Erde, als ein riesiger Flare am 4. August 1972 die Kommunikationsleitungen in ganz Illinois ausfallen ließ. Dieses Ereignis sorgte dafür, dass AT&T die Energieversorgung für die Transatlantikkabel umstrukturierte. Ein ähnlicher Ausbruch am 13. März 1989 provozierte einen geomagnetischen Sturm, der die Energieversorgung vom Hydro Québec Kraftwerk in Kanada ausfallen ließ, was dazu führte, dass 6 Millionen Menschen 9 Stunden in der Dunkelheit ausharren mussten; von den Auroras ausgelöste Überspannungen ließen sogar in New Jersey Transformatoren schmelzen. Im Dezember 2005 unterbrachen Röntgenstrahlen eines weiteren Ausbruchs die Satelliten-zu-Boden Kommunikation sowie die Global Positioning System (GPS) Signale für etwa 10 Minuten. Dies hört sich vielleicht nicht nach viel an, aber Lanzerotti merkt dazu an, "Ich wäre während dieser 10 Minuten nicht gerne in einem Passagierflugzeug gewesen, welches sich gerade, gleitet durch GPS, im Landeanflug befand."


Ein weiterer Flare der "Carrington-Klasse" würde diese Ereignisse klein erscheinen lassen. Glücklicherweise, sagt Hathaway, scheinen sie nicht sehr häufig zu sein:


"In den 160 Jahren der Aufzeichnung von geomagnetischen Stürmen, ist das Carrington Ereignis das größte." Es ist möglich sich noch weiter in der Zeit zurückzubewegen, indem man das arktische Eis untersucht. "Energiereiche Teilchen hinterlassen eine Spur in den Nitraten in den Eiskernen", erklärt er. "Auch hier scheint das Carrington Ereignis das größte der vergangenen 500 Jahre zu sein, und fast zweimal so groß wie der nächst-größere Ausbruch."


Diese Statistiken deuten darauf hin, dass Carrington Flares alle 500 Jahre auftauchen können. Die Statistiken sind jedoch nicht sehr sicher, und Hathaway warnt, dass wir diese Ausbrüche nicht gut genug verstehen, um solche Flares während unserer Lebenszeit auszuschließen.


Und was dann?


Lanzerotti weist darauf hin, dass elektronische Technologien heute wesentlich besser und mehr in das tägliche Leben integriert, aber auch anfälliger für die Aktivitäten auf der Sonne sind. Auf der Erde könnten Stromleitungen und Telefonkabel von solchen Ereignissen wie im Jahr 1989 beeinflusst werden. Radar, mobile Kommunikation und GPS Empfänger könnten durch die Störungen von der Sonne beeinträchtigt werden. Experten, die diese Frage untersuchten sagen, dass man wenig tun kann, um Satelliten vor einem Carrington-Flare zu schützen. Tatsächlich schätzt eine aktuelle Studie die potenziellen Schäden der 900+ Satelliten im Orbit auf bis zu 30 bis 70 Milliarden Dollar. Die beste Lösung, sagen sie: eine Reihe von Comsats für einen Notstart in Reserve zu haben.


Menschen im All könnten ebenfalls gefährdet sein. Astronauten auf einem Spaziergang hätten nur Minuten um, nach dem ersten Lichtblitz, einen Schutz vor den energiereichen Sonnenteilchen zu finden, welche den ersten Photonen dicht folgen. Ihr Raumschiff hätte wahrscheinlich ausreichende Schutzschilde; man müsste nur schnell genug hineinkommen.


Kein Wunder, dass die NASA und andere Weltraumagenturen weltweit, der Untersuchung und Vorhersage von Flares eine hohe Priorität einräumen. Derzeit beobachtet eine Flotte von Raumschiffen die Sonne, sammelt Daten über große und kleine Ausbrüche, die letzten Endes enthüllen, was diese Explosionen auslöst. SOHO, Hinode, STEREO, ACE und andere befinden sich schon im Orbit, während neue Raumschiffe, wie das Solar Dynamics Observatory, fertig sind für den Start.


Forschung wird keinen erneuten Carrington-Flare verhindern, könnte aber die "Nervosität der Überraschung" der Vergangenheit angehören lassen.


Autor: Frank Erhardt


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