Von Mutter Erde aus betrachtet kann der Nachthimmel friedlich und unveränderlich aussehen. Das Universum im Gammastrahlen-Bereich ist dagegen ein Ort von spontaner und chaotischer Gewalt. Mit Hilfe von Gammastrahlen-Teleskopen werden Astronomen Zeugen von kurzen aber unglaublich intensiven Explosionen, genannt Gammastrahlen-Ausbrüche (gamma-ray bursts) und es gibt nichts gewaltigeres.
Niemand ist sich sicher was Gammastrahlen-Ausbrüche verursacht. Die Favoriten sind unter anderem der Zusammenstoß von zwei Neutronensternen oder eine Art von Super-Supernova, die vorkommt, wenn ein extrem massiver Stern explodiert. Eines ist sicher: Gammastrahlen-Ausbrüche ereignen sich in weit entfernten Galaxien -- so weit entfernt, dass die Entfernungen "kosmisch" genannt werden, und weit über die normale Vorstellungskraft hinausgehen.
Denken Sie über das Folgende nach: Wenn Sie zum nächtlichen Himmel hinaufschauen blicken Sie in das ultimative Geschichtsbuch -- eines das zurück geht bis zu dem was wir Anfang der Zeit nennen. Und jeder Stern ist ein Kapitel in diesem Buch. Sie sehen die Sterne nicht wirklich wie sie derzeit aussehen. Sie sehen einen Stern, wie er war, als sein Licht ihn vor langer Zeit verließ. Und je tiefer Sie in das All blicken, je weiter schauen Sie zurück in der Geschichte. Tatsächlich ist das Licht von den entferntesten Galaxien Milliarden von Jahren alt.
"Gammastrahlen-Ausbrüche sind so hell, dass wir sie aus Milliarden Lichtjahren Entfernung sehen können, was bedeutet, dass sie vor Milliarden von Jahren stattfanden und wir sie so sehen, wie sie damals aussahen", sagt Charles Meegan von NASAs Marshall Space Flight Center. "Sie helfen uns dabei in der Zeit zurückzuschauen und zeigen uns, welche Bedingungen im frühen Universum herrschten. In Gammastrahlen-Ausbrüchen sehen wir vielleicht die erste Generation von Sternen, in den ersten Galaxien, die nach dem Urknall gebildet wurden."
Gammastrahlen-Ausbrüche helfen den Wissenschaftlern aber nicht nur dabei die Geschichte des Universum zu verstehen; sie erklären auch seine Physik. Der trickreiche Teil bei der Untersuchung eines Gammastrahlen-Ausbruchs ist es ihn einzufangen, bevor er wieder verschwindet. Jeder Ausbruch verschwindet so schnell wieder, dass es schwierig ist, sie alle zu entdecken. Es ist wie der Versuch das Blitzen jedes Glühwürmchens in einer Sommernacht, mit einem gewöhnlichen Fotoapparat einzufangen.
NASAs Gamma-Ray Large Area Space Telescope, GLAST in Kurzform, wird bald bei der Jagd helfen. Mehr davon in einer Minute, aber zuerst wollen wir die Voraussetzung dafür mit ein wenig Geschichte schaffen.
Wissenschaftler waren schon seit Jahren an der Gammastrahlen Spur dran, die Ausbrüche wurden jedoch durch einen Zufall entdeckt. Während des Kalten Krieges in den 60ern warfen US Satelliten ein Auge auf Atomtests der Sowjets, die durch einen internationalen Vertrag geregelt wurden, und entdeckten dabei intensive Ausbrüche von Gammastrahlung. Die Ausbrüche stammten jedoch nicht von der Sowjet Union. Wissenschaftler bemerkten, dass die Ausbrüche aus dem All kamen!
Schnell wurden Gammastrahlen-Ausbrüche eines der fesselndsten Geheimnisse der Astronomen, und die NASA entschied ein Großes Observatorium zu bauen, um den Gammastrahlen-Himmel aufzuzeichnen. In den 60ern entdeckte das Compton Gamma-ray Observatory mehr als 400 neue Gammastrahlen-Quellen, zeichnete 2.704 Gammastrahlen-Ausbrüche auf und erfasste Details des Gammastrahlen-Universums auf die frühere Satelliten nur einen kurzen Blick geworfen hatten. Am wichtigsten war, dass Compton Beweise fand, dass Gammastrahlen-Ausbrüche nicht aus der Milchstraße stammten, sondern von überwältigend weit entfernten Galaxien.
Die Astronomen bemerkten, dass die Explosionen fast unmöglich gewaltig sein müssen, um in solchen Entfernungen beobachtet werden zu können. Auf eine bestimmte Art war dies keine Überraschung. Gammastrahlen sind von Natur aus ein Vorbote von großen Energien und Gewalt. Stellen Sie sich folgendes vor: Gammastrahlen sind eine super-energiereiche Form des Lichts. Gewöhnliche, sichtbare Photonen haben Energien von etwa 2 bis 3 Elektronenvolt.
Gammastrahlen-Photonen haben Energien größer als 10 Giga-Elektronenvolt (geV), Milliarden mal mehr als gewöhnliches Licht. Beobachtungen mit Hilfe von Teleskopen auf der Erde haben sogar Gammastrahlen entdeckt, die noch energiereicher waren -- tausende von GeV.
Im Mai 2008 wird die NASA GLAST starten, um diese energiereichen Boten willkommen zu heißen. GLASTs Hauptinstrument, das Large Area Telescope (LAT), wird Pionierarbeit bei der Beobachtung von Gammastrahlen-Ausbrüchen bei höheren Energien leisten. Es wird erwartet, dass es 50 oder mehr Ausbrüche pro Jahr entdecken und lokalisieren kann. In der Zwischenzeit wird ein anderes Instrument an Bord von GLAST, der GLAST Burst Monitor (GBM), Gammastrahlen-Ausbrüche bei niedrigeren Energien beobachten.
Durch die Zusammenarbeit werden diese beiden Instrumente den gesamten Energiebereich dieser kosmischen Glühwürmchen einfangen -- von 10 tausend eV bis hin zu 100 Giga-Elektronenvolt.
"Ereignisse bei mehr als einer Wellenlänge einzufangen, wird Wissenschaftlern dabei helfen, mehr darüber zu verstehen - in der Art von Farbsehen anstelle von Schwarz-Weiß", sagt Meegan. "Wir können die extremen physikalischen Bedingungen, die in den Gammastrahlen-Ausbrüchen auftreten, in keinem Laboratorium reproduzieren, weswegen wir nicht verstehen, wie sie funktionieren. Indem wir sie mit diesen Instrumenten untersuchen, lernen wir vielleicht ein wenig neue Physik über die Materie."
"Ich denke, dass es wahrscheinlich ist, dass LAT und GBM etwas Neues und Unvorhergesagtes in den Gammastrahlen-Ausbrüchen sehen werden. Sie werden sicherlich alte Fragen beantworten und neue aufwerfen."
Das scheint Wissenschaft immer so zu machen. Warten wir auf den Start im Mai 2008!
Quelle: Science(at)NASA
Autor: Frank Erhardt